Spaziergang

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Spaziergang

Spazierengehen kann ein schlichtes Sonntagsvergnügen sein. Ein Spaziergang kann aber auch unser Leben verändern:  Wir sehen klarer, haben eine geniale Idee, treffen eine wichtige Entscheidung, verlieben uns, entwickeln einen schlauen Plan, teilen ein Geheimnis.  Oder der Spaziergang ist reine Maskerade, führt eine Idylle auf, die niemals existierte. Und dann gibt es Spaziergänge, die zur Flucht werden. Kurz gesagt. Spaziergänge sind sehr starke, kreative Räume. Wie nutzen wir diese in unserem Alltag?

Die diesjährigen Schlosstage Stn:ort 2018 laufen unter dem Thema „Spaziergang“. Besucher haben die Gelegenheit, das Spazierengehen für sich wieder zu entdecken. Ein Aspekt wird sein, etwas über die Geschichte der Spaziergänge in Steinort zu erfahren. Ein anderer sind thematische Angebote, die verschiedene Facetten des Spazierengehens aufgreifen.

Spaziergänge in Steinort

Der Palast von Sztynort ist nicht nur ein herrlicher Ort für ausgedehnte Spaziergänge durch die Natur, sondern auch ein Ort, für dessen Geschichte Spaziergänge eine wichtige Rolle spielen. Besonders wichtig sind sie für die Geschichte des Zweiten Weltkriegs von Steinort und die Biografien von Heinrich und Gottliebe von Lehndorff, den beiden letzten ostpreußischen Besitzern von Schloss Steinort.

Geschichten von Liebe, Schein, Verschwörung und Flucht

Bei einem langen Spaziergang durch die Umgebung von Steinort 1936 verliebte sich Gottliebe in Heinrich und sein Landleben. Es war nur drei Jahre später, zu diesem Zeitpunkt hatten sie geheiratet und waren nach Steinort gezogen, als der Zweite Weltkrieg ausbrach.

1941 musste das junge Paar, das jetzt zwei Kinder hatte, einen neuen Bewohner in seinem Palast unterbringen: der NS-Außenminister Joachim von Ribbentrop bezog einen Teil ihrer Räumlichkeiten, die für seine berufliche Funktion komfortabel gelegen waren. Schloss Steinort befand sich in unmittelbarer Nähe zu Adolf Hitlers kürzlich fertiggestelltem Hauptquartier, einem geheimen Bunkerdorf, genannt „Wolfsschanze“. Von Ribbentrop liebte es, mit der ganzen Familie Lehndorff durch den Schlosspark zu spazieren – mit dem eleganten Grafen, der umwerfend schönen Gräfin und den zwei hinreißenden blonden Töchtern. Die allgegenwärtigen Fotografen des Außenministers dokumentierten die inszenierte, herrschaftliche ostpreußische Glückseligkeit eifrig.

Um die gleiche Zeit fingen die Lehndorffs an sich ernsthaft dem politischen System der Nazis zu widersetzen. Sie begannen, sich im deutschen Kreis der Verschwörer gegen die Nazis zu engagieren. Die Rolle der Gastgeber des Außenministers und seiner Mitarbeiter war dabei sowohl ein Fluch als auch ein Segen. Sie forderte eine besondere Vorsicht der Verschwörer, aber gleichzeitig lenkte sie den Verdacht von dem Grafenehepaar und ihrem Gut ab. Regelmäßig würden die Verschwörer nach Steinort kommen, um sich zu treffen und ihre Aktivitäten zu planen. Die prominenteste Aktivität war der Versuch, Hitlers Leben im Jahre 1944 per Bombenanschlag ein Ende zu bereiten. Um im Privaten Unterredungen zu führen, bot es sich den Verschwörern an, lange Spaziergänge in der Umgebung zu machen, mit den Pferden auszureiten, oder Bootsfahrten auf dem See zu unternehmen.

In der Nacht vom 20. auf den 21. Juli 1944, nach dem Scheitern der Operation Walküre, flüchtete Heinrich durch ein Fenster des Schlosses in den Park. Diesmal war sein Spaziergang im Park der Beginn des Fluchtversuchs vor der Verhaftung durch die Nazis und dem Todesurteil.