Chronist unserer Träume: Schloss Sztynort 1947-2017
Schloss Steinort ist ein Ort, an dem sich verschiedenen Episoden der Vergangenheit überschneiden: Das Gebäude beherbergt faszinierende Geschichten als Ostpreußischer Adelssitz, als Ort politischen Widerstandes während des zweiten Weltkrieges, als sozialistischer Volkspalast, und als Baustelle postsozialistischer Entwicklungsprojekte.
Die Ausstellung „Chronist unserer Träume – Schloss Sztynort 1947-2017“ war der Auftakt einer mehrteiligen Ausstellungsreihe über die wechselvolle Geschichte des Schlosses in Sztynort Duże. 16 zweisprachige, illustrierte Tafeln erzählen die Geschichte des Schlosses seit 1947 erstmals für ein breites Publikum. Historische Fotografien erweckten die Geschichten aus der nahen Vergangenheit neu zum Leben. Begleitveranstaltungen schaffen Raum für Dialog, Gemeinschaft und Kreativität. Die Ausstellung ist von Mai bis Oktober vor dem Schloss in Sztynort Duże zu sehen.
Die sozialistische und post-sozialistische Schlossgeschichte Sztynorts ist in vieler Hinsicht exemplarisch für die Geschichte vieler anderer Adelshäuser, Güter und Anwesen in Polen und dem ehemaligen sozialistischen Mitteleuropa: Sie ist gekennzeichnet durch fortwährende Anpassungsprozesse der Funktionalität des Gebäudes für die Bedürfnisse von sich wandelnden Gesellschaften mit neuen Werten, Bedürfnissen, und sozialen Utopien. Und sie ist geprägt vom Zusammenspiel einer transnationalen Erbengemeinschaft und von deren verschiedenen Erinnerungen, konkurrierenden Interessen, und divergierenden Zukunftsvisionen für das Gebäude. Gleichzeitig ist die Geschichte des Gebäudes auch typisch für Masuren und das Masurische Seengebiet. Sie erzählt von der Entwicklung lokaler Tourismuskulturen, touristischer Räume, und dem modernen Tourismusbetrieb in Masuren. Das Schloss Sztynort ist daher ein Chronist der gesellschaftlichen Träume, Hoffnungen, und Visionen in Masuren und Polen seit 1947.
Die Idee für die Ausstellung und ihr thematisches Narrativ entwickelte sich aus den Ergebnissen mehrjähriger ethnographischer Feldforschung über touristische Identitäten in Sztynort und Umgebung. Quellen für die Ausstellung sind Erzählungen von ehemaligen Angestellten im Schloss, Segeltouristen, und Denkmalaktivisten, auch Zeitungsartikel, Arbeitsdokumente, Korrespondenzen, und historische Photographien.
Die Illustrationen der Ausstellung entstanden in individueller Handarbeit mit Papier, Schere und Schneidemesser im bunten Scherenschnittstil. Sie lassen die polnische Scherenschnitttradition der sogenannten „wycinanki“ anklingen und erinnern an Designtrends im sozialistischen Polen, die kräftige Folklore-Farben und vereinfachte traditionelle Muster wiederaufleben ließen. Die Motive und Schriftarten lehnen sich an den Stil sozialistischer Plakatkunst an.
Mit dieser Illustration des Ausstellungsnarratives unterstreicht die Ausstellungsdesignerin Hannah C. Wadle die kulturelle Neuinterpretierung des Schlosses Sztynort nach 1947 mit ästhetischen Mitteln. Sie vermittelt ein Gefühl für das spezielle kulturelle und soziale Ambiente, das sich mit den neuen Bewohnern im Schloss entwickelte und Teil seines Werdegangs wurde.